1 Einführung
1.1 Programmbeschreibung
Archimedes Geo3D ist eine dynamische Raumgeometriesoftware (DGS oder DRGS) mit den
folgenden grundlegenden Eigenschaften:
- Zugmodus: Basisobjekte können bewegt werden, der Rest ändert sich entsprechend
- Ortslinien und Ortsflächen: Die Bewegung von Punkten kann verfolgt und als Ortsfläche
sichtbar gemacht werden
- Makros: Häufig benötigte Konstruktionen können als Makros verfügbar gemacht
werden, man kann das Programm also um eigene Befehle erweitern
- Terme: Neben den gängigen Rechnungen mit Zahlen beherrscht das Programm auch
Vektorrechnung.
Der einzige Unterschied zu bekannten DGS wie Euklid, Cinderella oder ZuL ist, dass es sich um
ein Raumgeometrieprogramm handelt.
Wer solche Programme kennt, sollte sich also schnell zurechtfinden.
1.2 Voraussetzungen
-
Windows:
- Die Hauptentwicklungsplattform ist Windows. Archimedes läuft unter allen
Windows-Versionen ab 98. Windows 95 ist ungetestet.
-
Linux:
- Eine Linux-Version von Archimedes Geo3D wird ebenfalls regelmäßig aktualisiert.
Distributionen für SuSE Linux 10.4 sowie Ubuntu Linux 7.10 stehen zum Download
bereit.
-
Max OS X:
- Unterstützt werden Intel- und PowerPC-Macs mit OS-X ab Version 10.4.
-
Grafikkarte:
- 3D-Geometrie in Echtzeit ist ohne hardwarebeschleunigte 3D-Grafik nicht möglich.
Die wichtigste Voraussetzung ist also eine OpenGL-fähige Grafikkarte. Hierbei ist es weniger
wichtig, dass die neuesten Erweiterungen für aktuelle Spiele unterstützt werden, als dass die
Grafikkarte einen stabilen OpenGL-Treiber verwendet. Aktualisieren Sie im Zweifelsfall ihre
Treiber. Wichtige Punkte:
- Mit sehr alten Treibern neigt das Programm zu Abstürzen. Schlimmstenfalls kann
das System einfrieren, so dass alle nicht gespeicherten Daten verloren gehen. Testen
Sie dies, bevor Sie anfangen, mit Archimedes regelmäßig zu arbeiten.
- Der OpenGL-Treiber von ATI neigt auf bestimmten Systemen zu Totalabstürzen,
wenn die Option „VSync“ aktiviert ist. Das ist schade, denn nur bei aktiviertem
VSync erhält man eine optimale Darstellung, aber bei ATI-Karten sollte VSync
lieber deaktiviert werden.
- Die Grafiktreiber von Notebooks werden vom Hersteller oftmals nicht aktualisiert.
Die Grafikkartenhersteller bieten aber keinen Support für die in Notebooks
verbauten Chips, die generischen Treiber lassen sich nicht installieren.
Einen Ausweg bieten Treiber von „Spielefreaks“ wie DNA oder Omega (bei Google
schauen), die die aktuellen Treiber auch für Notebooks „portieren“. Ich habe mit
den DNA-Treibern gute Erfahrungen gemacht, aber jedenfalls sind diese Treiber
nicht „offiziell“.
- Unter Max OS X ist die OpenGL-Unterstützung meist gut.
- Unter Linux ist für viele Grafikkarten keine hardware-beschleunigte
OpenGL-Darstellung verfügbar. Aktivieren Sie hardware-Beschleunigung für 3D
in den Einstellungen ihrer Distribution. Prüfen Sie auf dem Terminal durch
die Eingabe von „glxinfo“, welcher Treiber verwendet wird. Sollte hier irgendwo
„Mesa“ auftauchen, so wird nur Software-Rendering verwendet. Dies ist erstens
sehr langsam und bringt zweitens eine schlechte Darstellungsqualität, vor allem
bei Textobjekten (diese flackern dann). Wenn Sie Archimedes dennoch mit Mesa
verwenden wollen, und das Programm nicht gut auf Mausbewegungen reagiert, so
stellen Sie bei Extras - Einstellungen - Größen - LazyRendering einen Wert von 1
ein.
-
Prozessor:
- Bei kleinen Konstruktionen (also solchen, die ohne rekursive Makros erstellt wurden)
genügt ein 500MHz-Prozessor. Bei Ortsflächen sollte man sich dann aber auf eine geringe Zahl
von Stützpunkten beschränken.
Will man über rekursive Makros Konstruktionen mit mehreren tausend Objekten erstellen, so
darf der Prozessor ruhig etwas schneller sein. (Ein Tetraederfraktal mit zwei Rekursionen hat
z.B. 2608 Objekte. Es lässt sich auf meinem Rechner mit 1GB Ram und 1,6GHz Prozessor
noch gut interaktiv verkleinern und vergrößern, es „ruckelt“ nur etwas. Die Szene lässt sich
absolut flüssig drehen.)
-
Speicher:
- Bei einfachen Konstruktionen belegt das Programm auf meinem System ca. 16 MB im
Speicher. Nach oben hin sind dem Speicherbedarf natürlich keine Grenzen gesetzt, aber mit
weniger als 32 MB sollte man es wohl besser nicht versuchen.
1.3 Bedienkonzept
Die ursprüngliche Bedienkonzeption von Archimedes Geo3D entspricht der von Geometers
Scetchpad und KSEG: Man markiert zuerst die Ausgangsobjekte (z.B. zwei Geraden) und klickt
dann auf „Punkt“, so dass man den Schnittpunkt erhält.
-
Vorteil:
- Man kann, wenn man weiß, welche Möglichkeiten es gibt, sehr schnell konstruieren,
insbesondere, wenn man die Tastenkürzel beherrscht. In der folgenden Tabelle wird die
Konstruktion einer Kugel in Archimedes mit der Konstruktion eines Kreises in Euklid
DynaGeo verglichen:
Kugel mit Archimedes | Kreis mit Euklid |
|
|
Doppelrechtsklick für freien Punkt | Shift-Klick auf Punkt konstruieren |
Doppelrechtsklick für freien Punkt | Klick in die Zeichnung für freien Punkt |
Klick auf den ersten Punkt | Klick in die Zeichnung für freien Punkt |
Shift-Klick auf den zweiten Punkt | Klick auf Kreis |
Klick auf Kugel | Klick auf den ersten Punkt |
| Klick auf den zweiten Punkt |
|
Nimmt man Tricks wie „Shift-Rechts-Doppelklick“ für gleichzeitiges Erzeugen und Markieren
zu Hilfe, kann man noch zwei Arbeitsschritte sparen. Je häufiger man die Art des
konstruierten Objektes wechseln muss, desto mehr Arbeitsschritte spart man mit
Archimedes.
-
Nachteil:
- Dieses Vorgehen ist unintuitiv, da man vorher wissen muss, welche Objekte zur
Konstruktion von z.B. einer Ortsfläche benötigt werden, das Programm kann keine Tipps
geben.
Daher habe ich diese zweite Möglichkeit, zuerst die Art des zu konstruierenden Objektes und
dann die Basisobjekte anzugeben, zusätzlich eingebaut.
Wenn man nun also auf „Punkt“ klickt, entscheidet das Programm in Abhängigkeit der
markierten Objekte:
- Sind geeignete Basisobjekte für einen Punkt markiert, z.B. zwei Geraden, so konstruiert
Archimedes direkt den abhängigen Punkt (im Beispiel den Schnittpunkt).
- Sind keine geeigneten Objekte markiert, so erscheint ein Drop-down-Menü, in dem man
auswählen kann, welche Art von Punkt man konstruieren möchte. Anschließend zeigt
Archimedes in der Statuszeile unten rechts sowie direkt im Grafikbildschirm an, welche
Art von Objekten nun anzuklicken sind.
Alle Arten von konstruierbaren Objekten sind auch über das Menü „Neues Objekt“ zu
erreichen. Hier kann man sich also einen Überblick verschaffen, was es alles gibt. Wählt man eine
Konstruktion über „Neues Objekt“, so werden die vorher markierten Objekte in keinem Fall
berücksichtigt.
Zusätzlich gibt es die „intelligenten“ Knöpfe „Normale“, „Parallele“ und „Schnitt“ im „kleinen
Toolbar“ (siehe den Abschnitt zum kleinen Toolbar ).
1.4 Kurzanleitung
Dieser Abschnitt ist für all jene, die fast nie Anleitungen lesen und Computerprogramme ohnehin
immer gleich kapieren.
Ich empfehle als ersten Schritt aber das Durcharbeiten der Tutorials unter Hilfe - Tutorials in
der dort vorgegebenen Reihenfolge.
1.4.1 Navigation
Wenn die Maus nicht auf ein Objekt zeigt, kann man in der Zeichnung navigieren. Durch
gleichzeitiges Drücken von ALT (unter Linux Strg Alt) kann man auch navigieren, wenn der
Mauszeiger auf ein Objekt zeigt.
-
Links ziehen:
- Drehen. Wenn man beim Ziehen die Maustaste loslässt, kann man die
Zeichnung in kontinuierliche Drehung versetzen.
-
Rechts ziehen:
- Zoom.
-
Rechts + links ziehen:
- Zeichnung verschieben.
1.4.2 Objekte auswählen
-
In der Zeichnung:
- Klick auf das Objekt wählt das Objekt aus und löscht die alte Auswahl.
Shift-Klick oder Strg-Klick wählt das Objekt zusätzlich aus.
-
Im Baum/In der Liste:
- Klick auf den Namen wählt das Objekt aus und löscht die alte
Auswahl. Strg-Klick auf das Objekt wählt das Objekt zusätzlich aus. Shift-Klick wählt
einen Bereich aus (unter MacOS entsprechend den Konventionen von MacOS).
1.4.3 Auswahl aufheben
-
Klick auf ein Objekt:
- Hebt die Auswahl bei allen anderen Objekten auf.
-
Strg-Klick auf ein ausgewähltes Objekt:
- Hebt die Auswahl des Objektes auf, ohne die
übrige Auswahl zu beeinflussen.
Will man also die Auswahl komplett aufheben, so klickt man zuerst auf ein Objekt und hebt die
Auswahl dieses (jetzt als einzigem ausgewählten) Objektes mit Strg-Klick auf. Alternativ kann man
auch im Objektbaum auf „Objekte“klicken.
Dieses Verhalten scheint auf den ersten Blick umständlich. Es war mir aber wichtig, dass die
Navigation (Drehen, Verschieben) einfach vonstatten geht. Wäre die Auswahl bei jedem
Linksklick aufgehoben worden, so hätte man schwerlich komplexe Objekte konstruieren
können.
Weiter hinten liegende Objekte können mit der TAB-Taste angewählt werden. Welches Objekt
gerade aktuell ist, ist am Tooltip zu erkennen.
Wenn man eine optische Rückmeldung darüber haben möchte, welche Objekte ausgewählt sind,
wählt man Extras - Ausgewählte Objekte blinken. Ich selbst finde diese Darstellung aber eher
unangenehm.
1.4.4 Konstruktion von Basispunkten
Basispunkte werden
- durch Doppelrechtsklick in die Zeichnung
- im Menü „Neues Objekt“ durch Punkt - Freier Punkt
- bei angezeigter Knopfleiste durch den Knopf „freier Punkt“
- in der Befehlszeile durch „P=(1,2,3)“
erzeugt
Vorsicht: Ist eine Ebene, Kugel, Gerade, Strecke oder ein Kreis markiert, so landet der Punkt
auf diesem Objekt (Bearbeiten - Ablösen schafft Abhilfe, siehe den Abschnitt 4.2.9zum Anbinden
und Ablösen).
1.4.5 Objekte konstruieren
-
Ohne Vorauswahl:
- Man klickt auf das Objekt, das man haben möchte (z.B. Ebene - Ebene
durch drei Punkte) und wählt dann die Objekte in der Zeichnung an. Welche Objekte
zu wählen sind, wird unten rechts und oben im Bildschirm angezeigt. Durch Drücken
von Esc kann man den Vorgang abbrechen.
-
Mit Vorauswahl:
- Man markiert geeignete Objekte (z.B. drei Punkte) und drückt dann auf
Ebene (bzw. Alt - E).
1.4.6 Messen und Rechnen
Das Menü enthält noch nicht sehr viele Befehle. Gleichwohl kann man aber praktisch alles, was
man möchte, über die Eingabe von Termen erreichen. In Termen kann auf Punkte, Vektoren und
andere Terme über ihre Namen zugegriffen werden.
Komplexere Messungen sind im Menü „Makros - Messen“ verfügbar.
Beispiel: Der Winkel zwischen zwei Ebenen soll gemessen werden.
- Konstruiere die beiden Ebenen E1 und E2
- Konstruiere die Schnittgerade s
- Konstruiere einen Punkt A auf der Schnittgeraden
- Konstruiere die Ebene E3 durch den Punkt senkrecht zur Schnittgeraden s
- Konstruiere die Schnittgeraden s2 und s3 der neuen Ebene mit den beiden
Ausgangsebenen
- Konstruiere Punkte C und D auf s2 und s3
- Konstruiere die Verbindungsvektoren V1 und V2 von A mit C und A mit D
- Erstelle ein Termobjekt mit dem Term acos(V1*V2/(abs(V1)*abs(V2))) .
Da das Termobjekt die bekannte Formel für den Winkel zwischen zwei Vektoren enthält, wird nun der
Winkel zwischen den Ebenen (im Bogenmaß) korrekt angezeigt.
Die folgenden Operationen, Funktionen und Variablen sind definiert:
|
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Operationen |
-
+ und -
- für die Addition / Subtraktion von
zwei Zahlen oder zwei Vektoren
-
*
- für Zahl / Zahl;
Zahl / Vektor (Skalarmultiplikation)
und Vektor / Vektor (Skalarprodukt)
-
/
- für Zahl / Zahl und Vektor / Zahl (aber
nicht Zahl / Vektor!)
-
hoch
- für Zahl / Zahl (Potenz) und Vektor /
Vektor (Kreuzprodukt)
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|
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Funktionen |
-
sin, cos, tan:
- Für Winkel im Bogenmaß
-
asin, acos, atan:
- Die Umkehrfunktionen
der o.g. Funktionen mit den bekannten
Definitionsbereichen
-
wurzel oder sqrt:
- Wurzel aus einer
nichtnegativen Zahl.
-
abs:
- Absolutbetrag einer Zahl oder Länge
eines Vektors. Beachte: Die direkt über
das
Menü zugängliche Längenberechnung
eines Vektors ist viel schneller!
-
vec:
- Diese Funktion erwartet drei durch
Kommata getrennte Argumente, aus
denen sie einen Vektor erzeugt.
-
x, y oder z:
- Diese Funktionen erwarten
jeweils einen Punkt oder einen Vektor
als Argument und liefern dann die
x bzw. y oder z-Koordinate dieses
Punktes oder Vektors.
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Konstanten |
- pi = 3.1415926535897932385
- e = 2.7182818284590452354
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1.4.7 Schieberegler
Über Extras - Schieberegler oder durch Eingabe von „s=SR(1,-5,5)“ erhält man einen
Schieberegler. Schieberegler eignen sich sowohl für das Einstellen von Parametern als auch zum
Antreiben von Ortsflächen. Das folgende Beispiel illustriert dies:
- Eingabe: x=SR(1,-6,6)
- Eingabe: y=SR(1,-6,6)
- Eingabe: a=SR(0.2,-1,1)
- Eingabe X=(x,y,a*x*y)
- Markiere die Schieberegler x und y und anschließend den Punkt X, drücke Alt-O.
Der entstehende Funktionsgraph kann durch Bewegen des Schiebereglers a verändert
werden.
Im Einstellungs-Menü des Schiebereglers können der aktuelle Wert sowie der Wertebereich
eingestellt werden.
1.4.8 Eigene Funktionen definieren
Man kann in der Termeingabe auch eigene Funktionen definieren. Angenommen, man definiert
einen Term x*y und schreibt in die Parameterliste x,y . Nun nennt man den Term „f“.
Anschließend kann in anderen Termen durch Eingabe von f(1,2) auf die vorher definierte
Funktion zugegriffen werden. Auch das Einsetzen anderer Variablen (vom richtigen Typ natürlich)
sind zulässig.
1.4.9 Makros
Jede beliebige Konstruktion kann zu einem Makro gemacht werden.
-
Makros ohne gegebene Objekte:
- Wählt man bei Makro - Abspielen eine normale
Zeichnung an, bei der keine Objekte als „gegeben“ markiert wurden, so wird die
Zeichnung einfach in die bestehende eingefügt. Lediglich die Namen werden so
angepasst, dass es keine Überschneidungen gibt.
-
Makros mit gegebenen Objekten:
- Angenommen, man hat zu einer Ebene eine Parallele
Ebene konstruiert und möchte diese Konstruktion mehrfach verwenden. Dann markiert
man die Ebene und den Punkt, durch den die Parallele geht, und wählt Makro - Als
gegeben markieren. Anschließend speichert man das Makro. Markiert man nun in einer
neuen Konstruktion eine Ebene und einen Punkt, so kann man bei Makro - Abspielen
das eben gespeicherte Makro anwählen und erhält die Parallele (zusammen mit allen
dafür benötigten Objekten, die, wenn sie nicht versteckt wurden, auch sichtbar sind).
-
Rekursive Makros:
- Wenn in einer Makrokonstruktion die gleichen Objekttypen wie die
gegebenen nochmals auftauchen, so kann man diese markieren und Makro - Rekursion
auf anwählen. Dann erhält man beim Ausführen des Makros die Möglichkeit, das Makro
rekursiv auszuführen. Genaueres siehe im Kapitel 12 über Makros.