Wir arbeiten in der Cloud

Ich lese oft die Behauptung, dass die Wahl des digitalen Endgerätes von geringer Bedeutung sei, da man ja überwiegend online arbeite. Ich stelle die These auf, dass das mindestens für die nächsten 10 Jahre (Stand: Oktober 2022) für Schulen in Deutschland keine praktikable Lösung ist.

Als gute Internetanbindung für eine Schule gilt aktuell 1 GBit, viele Schulen haben eine deutlich schlechtere Anbindung. Bei 1000 Schüler*innen bleibt eine Bandbreite von 1MBit. Für eine gemischte Nutzung ist das völlig ausreichend. Findet hingegen sämtliche Arbeit in einer Cloud statt (also z.B. auch sämtliche Mappenführung und Textverarbeitung), so ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Lernenden gleichzeitig das Netz nutzt, die Bandbreite reicht dann nicht.

Hinzu kommt die zeitliche Taktung im Schulbetrieb. Zu Stundenbeginn starten alle ihre online-Anwendungen, die dann zunächst einen erhöhten Datenbedarf haben zum Herunterladen der Bedienoberflächen. Wegen dieser zeitlichen Taktung sind Bedarfsrechnungen für Bandbreite, wie sie etwa für Firmen gelten, für Schulen nicht valide.

Die Bandbreite bzw. Leistungsfähigkeit betrifft auch die Serverseite. Weltweit genutzte Clouddienste wie Microsoft 365 und Google Documents sind aktuell datenschutzrechtlich mindestens problematisch, könnten rein leistungsmäßig die Versorgung aber leisten. On-Site Lösungen wie Nextcloud mit Collabora-Office hingegen benötigen für die gleichzeitige Anmeldung (zeitliche Taktung siehe oben) vieler hundert Nutzer und das Bereitstellen einer komplexen Nutzeroberfläche wie Collabora Leistungsreserven, die die meisten lokalen Lösungen nicht haben. Für jede einzelne große Schule müsste dann bereits ein kleiner Cluster mit Load Balancing zur Verfügung stehen (oder eben ein größerer lokaler Cluster, etwa für einen Schulträger). Wir hätten, bei flächendeckender 1:1 Ausstattung und weitgehender Nutzung von Clouddiensten für alle Anwendungen, eine ähnliche Situation wie während des Corona-Homeschoolings, wo vormittags regelmäßig die Dienste nicht erreichbar waren. Selbst vergleichbar einfache Dienste wie WebUntis brechen morgens um 7 oft zusammen, wenn alle nach dem Stundenplan sehen.

Der letzte Punkt betrifft die Verfügbarkeit von Anwendungen. Während Büro- und Kommunikationssoftware reichlich online vorhanden ist, sieht das bei technisch oder multimedial ausgerichteter Software anders aus. Ich als Musiklehrer etwa könnte bewährte Software, auf die ich seit Jahrzehnten im Unterricht (auch auf Schülergeräten) zurückgreife, nicht mehr verwenden. Gleiches gilt i.W. für Bildbearbeitung und Videoschnitt, insbesondere dann, wenn die vorhandene Hardware voll genutzt werden soll (druckempfindliche Stifte, beschleunigte Videocodierung). 

Daher glaube ich, dass Schulen aktuell gut daran tun, auf den digitalen Endgeräten eine sinnvolle Softwareauswahl bereitzuhalten, sodass (bei gleichzeitiger lokaler Datenspeicherung) auch ohne Netzwerk gearbeitet werden kann. Die Bandbreite des Netzwerkes steht dann für Dinge zur Verfügung, wo das Netz unverzichtbar ist, also Datenaustausch, Recherche und Kollaboration.